elias

Sonntag, 07.07.2024, 17:00 Uhr Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847): „Elias“ – Oratorium nach Worten der Heiligen Schrift

Einen Propheten „wie wir ihn heutzutage wieder brauchen könnten, stark, eifrig, auch wohl bös und zornig und finster… und fast zur ganzen Welt im Gegensatz, und doch getragen wie von Engelsflügeln.“ – So wünschte sich Mendelssohn seinen Elias. Und so baut er seinen Protagonisten aus zu einer „schillernden und facettenreichen Person, deren Gefühle und Konflikte nach außen gekehrt werden. Dieser psychologischen Auslotung und ihrer farbigen, abwechslungsreichen musikdramatischen Vergegenwärtigung verdankt Mendelssohns Oratorium seine Beliebtheit ganz wesentlich.“ (Andreas Eichhorn)

Ausführende:
Elisabeth Jehle – Sopran
Marie Seidler – Alt
Manuel Ried – Tenor
Eric Fergusson – Bass

Konzertchor St. Martin
Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben

Leitung:
KMD Hans-Eberhard Roß

Karten zu € 30/24/15

Kartenvorverkauf ab Mitte Juni beim Musikaus Förg, Memmingen.

 

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Einführung - Martin Sauer:

Der Prophet Elia – zornig und stark

Eine biblische Hinführung zu Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium „Elias“

In den Wirren des 19. Jahrhunderts, als Deutschland sich zu einem Nationalstaat formen wollte, schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy sein Oratorium „Elias“. Er wünschte sich einen Propheten, der sowohl böse und zornig, als auch gerecht und stark sei. Eine solche Gestalt fand er in Elia.

Der Name dieses Propheten aus dem Alten Testament der Bibel ist Programm. „Elia“ bedeutet „Mein Gott ist der HERR“. Die Geschichten um Elia erzählen, dass einzig der HERR der eine Gott Israels ist. Und niemand anderes. Es steht also letztlich das 1. Gebot auf dem Spiel: „Ich bin der HERR, dein Gott ... Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.“ (2. Mose 20,2)

Heute leben wir in einer Zeit, in der wir das Gemeinsame der Religionen suchen. Zur Zeit des Elia ging es darum, das Besondere des Glaubens deutlich zu machen. Im 9. Jahrhundert vor Christus herrschten chaotische Zustände. Mittelmäßige und selbstsüchtige Könige führten endlose Kriege und Intrigen, gingen zweifelhafte Bündnisse mit Nachbarvölkern ein, die auch religiös Einfluss auf Israel nahmen. Am schlimmsten trieb es König Ahab. Er heiratete die phönizische Königstochter Isebel, baute ihr für ihren Glauben an den Gott Baal sogar einen Tempel.

Weil der König, und mit ihm viele im Volk nicht mehr aus dem Glauben an den Gott Israels heraus lebten, macht Gott ihnen durch Elia die Folgen klar: Wer innerlich so vertrocknet, der wird es auch äußerlich tun. Elia kündigt eine große Dürre an. Die Erzählung in der Bibel beginnt genau wie im Oratorium: „Und es sprach Elia … zu Ahab: So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.“ (1. Könige 17,1) Mendelssohn wollte ein dramatisches Oratorium und lässt sofort die Folgen hörbar werden. Das Volk verzweifelt angesichts der Hungersnot. Die Bibel dagegen erzählt nach dem Auftakt, wie Elia sich am Bach Krit verbirgt. Er hat mit seiner Ankündigung den Gott Baal herausgefordert und fürchtet den Zorn der Königin.

Der Bach versiegt schließlich und Elia wird von Gott zu einer Witwe geschickt. Sie gibt ihm zu essen und zu trinken – das Letzte, was sie hat. Die Dürre trifft immer zuerst die Armen. Kann nun der Gott, der mit der Dürre den Tod bringt, auch Leben schaffen? Nach einem ersten Wunder, dass das Mehl im Topf nicht weniger wird und das Öl im Krug nicht ausgeht, geschieht noch ein zweites Wunder: Der Sohn der Witwe ist sterbenskrank. Elia ruft Gott an, und das Leben kehrt in das Kind zurück.

Schließlich begegnen sich Prophet und König. Ahab wirft Elia vor, an allem schuld zu sein. Doch der entgegnet: „Nicht ich stürze Israel ins Unglück, sondern du und deines Vaters Haus dadurch, dass ihr des HERRN Gebote verlassen habt, und du den Baalen nachgelaufen bist.“

Es geht letztlich nicht um Dürre oder Regen, sondern um die Frage: Wer ist mein Gott?

So kommt es zu einem Gottesurteil auf dem Berg Karmel. Sowohl die Priester Baals als auch Elia als Prophet Gottes werden ein Brandopfer darbringen. Das Feuer soll durch den jeweiligen Gott entzündet werden. Die Baals-Priester versuchen alles, aber nichts geschieht. Elia spottet, Baal schlafe oder habe anderes zu tun. Dann ist er selbst an der Reihe. Er lässt Wasser auf das Holz gießen, um alles noch schwieriger zu machen. Als er Gott anruft, „fiel das Feuer des HERRN herab“. Das Wunder beeindruckt das Volk und alle bekennen: „Der HERR ist Gott“. Elia befiehlt, die Baals-Priester zu ergreifen und hinzurichten. Der Regen kehrt zurück.

Hier macht die Geschichte eine Zäsur. Auch Mendelssohn macht eine Zäsur, der erste Teil endet.

Gelegenheit für eine kurze Zwischenbemerkung: Wenn wir die Bibel lesen, müssen wir immer zwei Fragen vor Augen haben: Wozu wird die Geschichte erzählt? Die Bibel ist ein Glaubensbuch, sie will von Gott erzählen. Sie tut das mit Beispielen und Vergleichen, die wir kennen. Zum Beispiel Psalm 23: „Der HERR ist mein Hirte“ – Gott ist nicht wirklich ein Hirte. Aber das Bild verstehen wir, und es tut uns gut.

Und die zweite Frage: Entdecken wir in einer Geschichte eine zeitlose Glaubenswahrheit oder ist sie zeitgebunden? Das Frauenbild des Paulus beispielsweise ist zeitgebunden, das kann für uns kein Maßstab mehr sein. Was heißt das für den „Elias“? 

Auf dem Berg Karmel geht es um die Frage: Wer ist Gott für mich? Wer oder was bestimmt mein Leben? Der eine Gott Israels, oder (auch) andere Götter? Elia erinnert an das 1. Gebot. Es kann nur einen Gott geben. Die Geschichten um Elia erzählen auch, wie sich der Glaube in Richtung Monotheismus entwickelt, dass es nur einen einzigen Gott geben kann. Heute klären wir religiöse Fragen freilich im Dialog, und nicht mit einem Gottesurteil.

Im zweiten Teil des Oratoriums muss Elia fliehen. Königin Isebel schwört Rache für den Tod ihrer Baals-Priester. Hat das Volk eben  seinen Glauben an den Gott Israels erneuert – jetzt wird es von Isebel aufgewiegelt und fordert Elias Tod. In der Wüste will Elia nur noch sterben. Aber ein Engel kümmert sich um ihn: „Hebe deine Augen auf zu den Bergen, von welchen dir Hilfe kommt.“ (Psalm 121). Elia geht weiter zum Berg Gottes, dem Horeb (der an anderer Stelle Sinai genannt wird).

Auf dem Berg begegnet Elia Gott. Zunächst kommen Sturm, Erdbeben und Feuer. Sie gehen vor Gott her, wie Herolde. Aber Gott ist nicht in ihnen. Dann kommt „ein stilles, sanftes Sausen“. Doch Gott ist auch nicht in der Stille. Die Stille ist die Voraussetzung, Gott zu hören.

Gottes Gegenwart drückt Mendelssohn mit dem Sanctus aus der Liturgie des Gottesdienstes aus. Es gehört zum Abendmahl. Im Moment der Anbetung Gottes werden Himmel und Erde vereint. Wenn wir Gottesdienst feiern, ist Gott gegenwärtig. Da begegnen wir ihm.

In der Bibel hat Elia eine besondere Stellung: Er stirbt nicht, sondern wird entrückt: „Da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen ... Und Elia fuhr im Wettersturm gen Himmel.“ (2. Könige 2,11) Am Ende des Alten Testaments und des Oratoriums wird Elia als kommender Prophet bezeichnet.

Mendelssohn, zuerst Jude, dann als Christ getauft, wollte mit seinem Oratorium innerhalb des Alten Testaments bleiben und nicht vorschnell auf Christus hinweisen. Aber er greift Jesaja 11 auf: „Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN: der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rats und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN.“ So wird der Messias beschrieben. Im Oratorium bleibt offen, ob er in Jesus Christus gekommen ist oder noch erwartet wird. 

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